Du bist ein Bauer oder eine Bäuerin mit eine Vielzahl an ganz wunderbaren Rohstoffen, die für die Herstellung von kosmetischen Produkten geeignet sind und möchtest deine Kosmetika nun im eigenen Hofladen oder am Bauernmarkt verkaufen?
Wunderbar! Es braucht mehr dieser motivierten Produzenten, die mit Rohstoffen bester Qualität arbeiten und so den Konsumenten die Möglichkeit bieten, Produkte zu erwerben, die ohne einer Vielzahl von fragwürdigen Rohstoffen auskommen und letztendlich nicht von Konzernen erzeugt und vertrieben werden, die vielen, gerade Bauern, das Leben schwer machen.
So schön das alles klingt, so hart ist jedoch die Realität…
So wie die Städter ein eher verklärtes Bild vom idyllischen Landleben haben, das absolut nicht den Alltag der Landwirte widerspiegelt, so einfach würde man glauben ist es, als Bauer oder Bäuerin die eigenen Rohstoffe in Kosmetika zu verwandeln und zu verkaufen.
Einerseits ist die landwirtschaftliche Urproduktion von der Gewerbeordnung ausgenommen. D.h. als Landwirt muss man keinen Gewerbeschein lösen der im Fall nötig wäre. Im Fall von Seifen wären das eigentlich sogar zwei verschiedene. Stellt man Toiletteseife her, handelt es sich um ein Kosmetikprodukt und es ist ein Gewerbeschein für die “Erzeugung von kosmetischen Artikeln” zu lösen, wobei es sich um eine freies Gewerbe handelt. Möchte man Putzseife für die Reinigung von Oberflächen oder Textilien herstellen, z.B. Schmierseife oder Gallseife, fällt die Tätigkeit gewerberechtlich unter die “Erzeugung von chemisch-technische Produkte, da ebenfalls zu den freien Gewerbe zählt. Der landwirtschaftlichen Urproduktion wird hier sehr viel zugestanden, denn im Grunde ist die landwirtschaftliche Urproduktion ganz genau geregelt und die Erzeugung von kosmetischen Artikeln fällt nicht wirklich darunter, lediglich dürfen “anfallende Ausgangsprodukte für (…), Kosmetik, (…) und dergleichen” hergestellt werden. Detaillierte Infos zum Thema Landwirtschaftliche Urproduktion findet ihr auf der Seite der Landwirtschaftskammer, hier der Link:
Urprodukteverordnung
Wenn Produkte erzeugt und abgesetzt werden, nennt sich das Inverkehrbringen. Die genaue, rechtliche Definition dafür lautet:
“Als Inverkehrbringen wird das erstmalige Bereitstellen einer Ware zum Verkauf oder zur Nutzung bezeichnet, unabhängig davon, ob die Ware entgeltlich oder unentgeltlich bereitgestellt wird.”
Quelle: https://www.oesterreich.gv.at/lexicon/I/Seite.9915560.htmlhttps://www.oesterreich.gv.at/lexicon/I/Seite.9915560.html
Zu beachten ist hier, dass es sich um entgeltliche UND unentgeltliche Bereitstellung handelt! Das heißt, auch das kostenlose Verschenken fällt unter Inverkehrbringen, nicht bloß der reine Verkauf! Das ist sehr, sehr wichtig und kann im Streitfall einen riesigen Unterschied ausmachen.
Inverkehrbringen gut und schön, aber was heißt das jetzt für mich als Landwirt genau, wenn ich Kosmetik herstellen und verkaufen möchte?
Primär müssen wir bei Seifen unterscheiden, für welchen Zweck sie sind.
Sind sie für Haushaltszwecke oder institutionelle oder gewerbliche/industrielle Zwecke gedacht, dann fallen sie gemäß Chemikaliengesetz unter Detergenzien (Wasch- und Reinigungsmittel) und gehören zur Kategorie “chemisch-technische Produkte”. Siehe Chemiekaliengesetz 1996
Sind die Seifen dazu bestimmt, “äußerlich mit den Teilen des menschlichen Körpers (Haut, Behaarungssystem, Nägel, Lippen und äußere intime Regionen) oder mit den Zähnen und den Schleimhäuten der Mundhöhle in Berührung zu kommen, und zwar zu dem ausschließlichen oder überwiegenden Zweck, diese zu reinigen, zu parfümieren, ihr Aussehen zu verändern, sie zu schützen, sie in gutem Zustand zu halten oder den Körpergeruch zu beeinflussen” dann fallen die Seifen in die Kategorie “kosmetische Artikel” und dann kommt eine Verordnung zum Tragen, die unser Vorhaben ganz maßgeblich beeinflusst: EU-Kosmetikverordnung 2009
Sind wir Inverkehrbringer von kosmetischen Artikeln, dann besagt die EU-Kosmetikverordnung, dass wir u.a. folgende Aspekte zu erfüllen haben:
– Sicherheitsbewertung
– Produktnotifizierung
– einheitliche Kennzeichnung der Produkte
– gute Herstellungspraxis
– regelmäßige Kontrolle der Lebensmittelbehörde
– etc.
Kurz gesagt:
Möchte ein Bauer oder Bäuerin kosmetische Artikel aus den eigenen Rohstoffen (Fette, Kräuter, etc.) erzeugen, dann kommt die EU-Kosmetikverordnung mit all ihren Facetten zum Tragen. Erfüllt man diese nicht, liegt ein nicht ordnungsgemäßes Inverkehrbringen vor, was zur Anzeige führen kann, da ein klarer Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Produzenten besteht. Die Behörde wird nach Sichtkontrolle (des Hofladens, des Standes am Bauernmarkt oder des Produktes, das irgendwo in die Hände des Kontrollors gelangt) oder nach Kontrolle des Cosmetic Products Notification Portals einschreiten, was im schlimmsten Fall auch zu sehr kostspieligen Strafen oder Unterlassungsklagen führen kann.
Alle, die eine Landwirtschaft zu Hause haben und kosmetische Artikel erzeugen und verkaufen möchten und nach diesen Infos jetzt richtig frustriert sind – ICH KANN EUCH VERSTEHEN!!
Ich bin auf einem kleinen Bauernhof aufgewachsen und ich weiß die Qualität der eigenen Produktion sehr gut zu schätzen. Ich verstehe sehr gut, dass ihr aus euren guten Rohstoffen so viele Produkte wie möglich machen möchtet und dazu auch Kosmetika zählen. Ich verstehe, dass es nicht recht nachvollziehbar ist, weshalb viele dieser Rohstoffe von euch verkauft und oral eingenommen überhaupt keine Problem sind, als Kosmetik verarbeitet jedoch eine Lawine an Bürokratie auslösen.
Auch ich war nach einer extrem frustrierenden Kontrolle der Lebensmittelbehörde schon soweit, dass ich sämtliche Gewerbescheine zurücklegen wollte, die elterliche Landwirtschaft übernehmen wollte, um damit im Zuge der Urproduktion sorgenfrei meine Seifen produzieren zu können. Leider nein … so einfach geht es leider nicht.
Gerne teile ich meine Erfahrungen, die ich in vielen Jahren Kosmetikproduktion gesammelt habe und gebe euch folgende Vorgehensweise als Tipp mit:
Wenn ihr Kosmetik selbst herstellen und verkaufen möchtet, dann kommt ihr um die EU-Kosmetikverordnung nicht umhin. Entweder, ihr riskiert Produktion und Verkauf ohne die Sicherheitsbewertungen, die Eintragungen ins Notifikationsportal usw, dann müsst ihr auch in Kauf nehmen, dass es eines Tag ein unangenehmer Besuch oder Anruf auf euch wartet.
Wenn ihr ordnungsgemäß produzieren und verkaufen möchtet, dann müsst ihr euch mit Themen wie Sicherheitsbewertung, Analyseblätter, Sicherheitsdatenblätter, IFRA Blätter, Gutachter, CPNP, Herstellungsprotokolle, Rückstellmuster, etc. befassen. Klingt am Anfang alles sehr kompliziert und völlig unmachbar, aber keine Sorge,
wo ein Wille da ein Weg. Bedenken muss man allerdings, all diese Dinge kosten Geld – viel Geld! Und das sollte man sich am Beginn der Reise durchaus mal durchrechnen. Steht der finanzielle Aufwand (pro Sicherheitsbewertung für ein Rezept dürft ihr mit einigen Hundert Euro rechnen) in Relation zu den erwirtschafteten Gewinnen des betreffenden Produktes? Verkaufe ich von diesem einen Produkt wirklich so viel, dass sich die Ausgabe auszahlt? Wenn ihr dazu Fragen habt und ich diese beantworten kann, dann helfe ich auch in diesem Bereich gerne.
Wenn ihr nach reiflicher Überlegung entscheidet, nein, Risiko möchte ich keines eingehen, bürokratischen und finanziellen Aufwand auch nicht, und ich hab bereits genug Arbeit am Hof, dann gibt es eine Abkürzung im Bürokratiedschungel.
Die Möglichkeit, einen Produzenten zu suchen, der eure Rohstoffe verarbeiten kann, euch die Produkte herstellt, die ihr dann selber verkaufen könnt. Sämtliche Aspekte der EU-Kosmetikverordnung erfüllt dann der Produzent für euch und der Lebensmittelkontrollor besucht euch auch nur im Rahen der gewöhnlichen Kontrolle z.B. der Milchverarbeitungsräumlichkeiten. Im Rahmen der Zukaufsbefugnis können die mit euren Rohstoffen hergestellten Produkte als Handelsware im Hofladen oder von euch am Bauernmarkt verkauft werden, ohne dass ihr einen großen Aufwand im Vorfeld betreiben müsst.
Tierische Fette zu verseifen hat gerade im Salzkammergut eine lange Tradition. In der Alten Seifensiederei in Bad Goisern, in der ich mein kleines Seifengeschäft betreibe, waren diese Rohstoffe absolut üblich.
Im Laufe der Jahre sind viele Rezepte mit tierischen Rohstoffen zu meinem Rezeptbuch dazugekommen, sei es welche mit tierischen Fette, aber auch mit diversen Milchsorten oder Honig bzw. Propolis.
Ja, alle diese Rezepte haben mich viel Geld gekostet, aber sie waren es mir durchaus wert und ich bin über jedes einzelne dankbar, denn ein wunderbares Stück Seife kann so ganz rechtmäßig in den Verkehr gebracht werden.
Viele Bauern und Bäuerinnen sind in den letzten Jahren zu meinem Kundenstamm dazugekommen, vorwiegend aufgrund der erwähnten Umstände mit der Bürokratie. Ich freue mich immer wieder aufs Neue, wenn mich ein neuer landwirtschaftlicher Betrieb kontaktiert und wir ein neues gemeinsames Seifenstück entwickeln. Ich übernehme dabei gerne die Rezeptkosten, die Lebensmittelkontrolle, den Papierkram, verrechne ausschließlich die zusätzlichen Seifenrohstoffe und meine Arbeit. Biete dann das Seifenstück zu einem fairen Einkaufspreis an, damit am Ende des Tages im Hofladen auch noch Geld in der Kasse bleibt. Viele zufriedene bäuerliche Kunden zeugen von dieser win-win Situation und persönlich freu ich mich, wenn ich den hart arbeitenden Landwirten Arbeit, Auflagen und Stress abnehmen kann.
Hast du einen tollen Seifenrohstoff und bist interessiert an einer Zusammenarbeit, dann melde dich bei mir: info@saponetta-carina.com
Kennst du jemanden, den ich mit meiner Arbeit das Leben erleichtern und zu einem guten Seifenstück mit eigenen Rohstoffen verhelfen könnte, dann freue ich mich, wenn du meinen Kontakt weiterleitest 🙂